Samstag, 14. Oktober 2017
I dreamt I was a butterfly
mcbo, 19:32h
Ort 1. Ich bin voller Paranoia und Unsicherheit. Jede*r will mir an die Wäsche, ans Leder, ans Eingemachte, an die Organe, ich will mich in Embryonalstellung zusammenkauern während über mir Samuel Barbers “Adagio for Strings” zu spielen beginnt. Stattdessen gehe ich aus dem Haus, und die Sonne zielt mir ihre spitzen Strahlen geradewegs auf die Netzhaut, so dass ich die roten Augen zusammenkneife und wie ein Drogenjunkie aussehe. Ich renne zur Rolltreppe, doch ein großer Whitemale drängt sich mit seinen dicken Whitemale-Knochen vor mich (Platz einnehmend, imperialistisch), so dass ich weder rechts noch links an ihm die Treppe vorbeigehen kann, ohne grob unhöflich zu sein. Ich sehe Leute aus genau der Bahn strömen, die ich kriegen will, vor mir geht die Tür zu. Ich verfluche den Mann: auf dass ihm heute von einer Racheengelin die Bauchaorta durchtrennt werde.
Später. Ich verbrenne mir am Autoklaven so dermaßen die Finger, dass ich minutenlang die Hand unter den Wasserhahn halten muss. Ich lehne meinen Kopf gegen das kühle Porzellan und schließe die Augen Hat man davon, wenn man kaum schläft, weil man vier Uhr morgens aufwacht und mit den Dämonen jener Stunde konfrontiert wird. Irgendwas hat die Zeit von vier bis ca. sechs Uhr morgens an sich; es ist, als wären sämtliche Verdrängungsmechanismen, die meine Psyche aufbringen kann, deaktiviert, alles bricht über mich herein, was ich im Wachzustand nicht denken geschweige denn aussprechen möchte. Wer war diese Person? Ich döse ein. Ich stand pünktlich zum Weckerklingeln mit verkrampftem Kiefer auf, fühlte mich jedoch wie jemand anders.
An diesem Tag, Freitag, darf ich fliehen, die Reise mit dem Zug antreten. Ich nehme die Leute um mich kaum noch wahr, das Einzige, was mich an die körperliche Realität kettet, ist die Tatsache, dass die Verbrennung am Daumen mir ein Stück meines Fingerabdrucks weggebrannt und eine sehr glatte Stelle hinterlassen hat und ich immer wieder mit dem Finger über die Stelle fahre. Es tut weh, besonders beim Blättern von Seiten und Tippen mit der Tastatur. Das ist sehr ungünstig, denn das ist so ziemlich was ich die meiste Zeit mache.
Mein Sitzplatz verfügt über ausreichende Distanz zu etwaigen Nervensägen. Ich bekomme jedoch eine Meldung über kritischen Batteriestand von meinem Laptop, und nach einer Riesen-Auspack-Aktion steht mir nicht der Sinn. Vor mich hinstarrend frage ich mich, ob ich mir die Verbrennung unbewusst-bewusst selbst, also absichtlich, zugefügt habe.
Diese Szene um vier Uhr morgens war so echt. War das, was diese Person da alles gesagt hat, wahr?, und bin ich die Lüge? Oder war das eine Ausgeburt der Paranoia, ein alptraumhafter Schatten, der in die reale Welt übergeschwappt ist und ein Hirngespinst, dem man keinen Glauben schenken darf? Ich bin durch die Arbeit permanent aufgerieben, in Alarmbereitschaft, und wenn ich es nicht bin, voller Selbstzweifel und Ängste. Ich merke das, und das ist nicht gut. Die paar Stunden Fahrt über versuche ich zu ruhen.
(…)
“Dva” bedeutet “Zwei” in den meisten slawischen Sprachen. Love, Dva. Es wohnen ach zwei Seelen in meiner Brust, but I’m number one. I’m number one. Die Fahrt war erholsam, wir sind in einem anderen Bundesland, ich sehe die Vororte der Stadt am Zugfenster vorbeihuschen und werde mit Energie erfüllt. Die Welt sieht ganz anders aus. Alles sieht ganz anders aus. Apagando las luces. It’s hiiigh noon.
Ort 2. Ich ziehe meinen Koffer, watschele Richtung Ausgang und ordne mich in den Menschenstrom an der Rolltreppe ein. Dasselbe Szenario wie heute Morgen, doch warum muss ich so grinsen? Die Pflanzen sind grüner, Vögelschwärme kreisen, die heilige Abendsonne streicht mir über’s Gesicht. Gymnopédie No.1 beginnt zu spielen. Glanz umgibt mich. Nichts gleicht meinem Glücke. Do you ever get that feeling of déjà-vu? Ich sehe, wie Enten im Wasser landen. Sie schütteln sich in den letzten Sonnenstrahlen und waschen ihr Federkleid. Als wollten sie sagen: The cavalry is here! Cheers, love. Doch bei mir gibt’s keine Krumen.
Meine Sachen kurz abgestellt gehe ich noch schnell eine Runde laufen. Ich spüre, wie mein Roboter-Ich von mir abfällt, das Funktionieren und Delegieren, Eruieren, Substituieren. Das Managen, das keeping-track-of-things, die Diszipliniertheit, die Alarmbereitschaft. Ein ganzer Mensch fällt von mir ab, und ein zweiter Mensch kommt zum Vorschein. Ein großer beefy Typ joggt mir entgegen, zieht die Augenbrauen grüßend hoch. Ach ja, Sexualität gibt’s auch noch.
I dreamt I was a butterfly – now I wonder: Am I a man who dreamt of being a butterfly, or am I a butterfly dreaming that I am a man?
(Zhuang Zi)
Später. Ich verbrenne mir am Autoklaven so dermaßen die Finger, dass ich minutenlang die Hand unter den Wasserhahn halten muss. Ich lehne meinen Kopf gegen das kühle Porzellan und schließe die Augen Hat man davon, wenn man kaum schläft, weil man vier Uhr morgens aufwacht und mit den Dämonen jener Stunde konfrontiert wird. Irgendwas hat die Zeit von vier bis ca. sechs Uhr morgens an sich; es ist, als wären sämtliche Verdrängungsmechanismen, die meine Psyche aufbringen kann, deaktiviert, alles bricht über mich herein, was ich im Wachzustand nicht denken geschweige denn aussprechen möchte. Wer war diese Person? Ich döse ein. Ich stand pünktlich zum Weckerklingeln mit verkrampftem Kiefer auf, fühlte mich jedoch wie jemand anders.
An diesem Tag, Freitag, darf ich fliehen, die Reise mit dem Zug antreten. Ich nehme die Leute um mich kaum noch wahr, das Einzige, was mich an die körperliche Realität kettet, ist die Tatsache, dass die Verbrennung am Daumen mir ein Stück meines Fingerabdrucks weggebrannt und eine sehr glatte Stelle hinterlassen hat und ich immer wieder mit dem Finger über die Stelle fahre. Es tut weh, besonders beim Blättern von Seiten und Tippen mit der Tastatur. Das ist sehr ungünstig, denn das ist so ziemlich was ich die meiste Zeit mache.
Mein Sitzplatz verfügt über ausreichende Distanz zu etwaigen Nervensägen. Ich bekomme jedoch eine Meldung über kritischen Batteriestand von meinem Laptop, und nach einer Riesen-Auspack-Aktion steht mir nicht der Sinn. Vor mich hinstarrend frage ich mich, ob ich mir die Verbrennung unbewusst-bewusst selbst, also absichtlich, zugefügt habe.
Diese Szene um vier Uhr morgens war so echt. War das, was diese Person da alles gesagt hat, wahr?, und bin ich die Lüge? Oder war das eine Ausgeburt der Paranoia, ein alptraumhafter Schatten, der in die reale Welt übergeschwappt ist und ein Hirngespinst, dem man keinen Glauben schenken darf? Ich bin durch die Arbeit permanent aufgerieben, in Alarmbereitschaft, und wenn ich es nicht bin, voller Selbstzweifel und Ängste. Ich merke das, und das ist nicht gut. Die paar Stunden Fahrt über versuche ich zu ruhen.
(…)
“Dva” bedeutet “Zwei” in den meisten slawischen Sprachen. Love, Dva. Es wohnen ach zwei Seelen in meiner Brust, but I’m number one. I’m number one. Die Fahrt war erholsam, wir sind in einem anderen Bundesland, ich sehe die Vororte der Stadt am Zugfenster vorbeihuschen und werde mit Energie erfüllt. Die Welt sieht ganz anders aus. Alles sieht ganz anders aus. Apagando las luces. It’s hiiigh noon.
Ort 2. Ich ziehe meinen Koffer, watschele Richtung Ausgang und ordne mich in den Menschenstrom an der Rolltreppe ein. Dasselbe Szenario wie heute Morgen, doch warum muss ich so grinsen? Die Pflanzen sind grüner, Vögelschwärme kreisen, die heilige Abendsonne streicht mir über’s Gesicht. Gymnopédie No.1 beginnt zu spielen. Glanz umgibt mich. Nichts gleicht meinem Glücke. Do you ever get that feeling of déjà-vu? Ich sehe, wie Enten im Wasser landen. Sie schütteln sich in den letzten Sonnenstrahlen und waschen ihr Federkleid. Als wollten sie sagen: The cavalry is here! Cheers, love. Doch bei mir gibt’s keine Krumen.
Meine Sachen kurz abgestellt gehe ich noch schnell eine Runde laufen. Ich spüre, wie mein Roboter-Ich von mir abfällt, das Funktionieren und Delegieren, Eruieren, Substituieren. Das Managen, das keeping-track-of-things, die Diszipliniertheit, die Alarmbereitschaft. Ein ganzer Mensch fällt von mir ab, und ein zweiter Mensch kommt zum Vorschein. Ein großer beefy Typ joggt mir entgegen, zieht die Augenbrauen grüßend hoch. Ach ja, Sexualität gibt’s auch noch.
I dreamt I was a butterfly – now I wonder: Am I a man who dreamt of being a butterfly, or am I a butterfly dreaming that I am a man?
(Zhuang Zi)